Samstag, 11. November 2017

Frau Holle (Klassiker, Kurzgeschichte)

Frau Holle, ein Deutsches Volksmärchen. Nacherzählt von Reick D.Ani.




Es waren einmal 2 Schwestern. Die lebten zusammen mit ihrer Mutter in einem kleinen Haus. Die eine von Ihnen war fleißig und schön, die Andere jedoch faul und hässlich. Doch die Mutter hatte die Faule viel lieber, weil sie ihre rechte Tochter war. Die fleißige aber war das Aschenpudel im Hause und musste alle Arbeiten verrichten. Während die Faule ihr dabei zuschaute, sich putzte und sich's Wohl sein ließ. Eines Tages hatte die Fleißige soviel Flachs zu Garn gesponnen, dass ihr dicke Bluttropfen aus dem Finger quollen. Schnell eilte sie zum Brunnen und wollte das Blut abwaschen. Doch die Spindel fiel ihr aus den zitternden Händen und versank im tiefen Brunnen. Da erfasste das arme Mädchen großer Schrecken und in seiner Herzensangst vor der bösen Stiefmutter sprang es der Spindel hinterher, um sie herauszuholen oder aber zu sterben.

"Wo bin ich? Helles Sonnenlicht blendet meine Augen. Das Wasser rauschte mir in den Ohren und ich dachte ich muss in dem kalten, dunklen Brunnen sterben. Und auf einmal stehe ich auf einer grünen Wiese, in Mitten von Tausend blühenden Blumen." dachte sie sich und ging auf dieser Wiese fort. Doch plötzlich hörte es über sich eine Stimme: "Schüttle mich! Schüttle mich! Meine Kinder sind alle samt reif!" Wer rief denn da? Ach, das war der Apfelbaum unter dem das Mädchen gerade stand. Der arme Baum hatte so schwer zu tragen. Wie tat er dem Mädchen leid. Und es schüttelte solange bis alle Äpfel am Boden lagen. Legte sie ordentlich auf einen Haufen zusammen und ging danach weiter.

Es sprang über einen tiefen Bach und kletterte über einen hohen Berg, bis es auf einmal vor einem Backofen stand. Aus dem rief es: "Hohl uns heraus! Hohl uns heraus! Wir verbrennen hier!" Das Mädchen besann sich nicht lange, machte sich fleißig an die Arbeit und hörte erst auf als es alle Brote aus dem Backofen heraus geholt und ordentlich auf einem Haufen zusammengelegt hatte. Nun wanderte es weiter und entdeckte endlich in der Ferne ein kleines Haus, aus dem eine alte Frau herausschaute. 

Weil die Alte aber gar so große Zähne hatte, wollte das Mädchen wieder fortlaufen. Doch die Frau winkte ihm freundlich zu: "Schönen guten Tag, mein Kind. Tritt nur näher! Ich habe schon gesehen, wie du meinen Apfelbaum geschüttelt und meine Brote aus dem Backofen gezogen hast. Das hat mir sehr gefallen. Aber sage mir, wie fandest du den Weg von der Erde in mein Reich?"
Und das Mädchen erzählte der alten Frau von seiner Mutter und seiner Schwester und von den Schlägen die es erhielte, wenn es ohne die Spindel nach Hause zurückkehren würde. "Fürchte dich nicht, meine Tochter. Denn es wird alles gut werden, wenn du bei mir bleibst und fleißig meine Betten aufschüttelst damit es auf der Erde schneit. Denn weißt du wer ich bin? Ich bin die Frau Holle."


Weil ihm die Alte gar so gut zuredete, willigte das Mädchen ein und trat in Frau Holles Dienste. Fleißig schüttelte es Tag für Tag alle Federbetten auf. Und dabei fielen unzählige Schneeflocken auf die Erde. Die Kinder riefen "Hurra es schneit! Es schneit!", hohlten ihren Schlitten aus dem Keller, schauten zum Himmel empor und sangen: 




"Frau Holle, Frau Holle, 
die guckt zu ihrem Haus herraus,
wie sieht die Welt so prächtig aus.
Da kommt ein armes Mägdelein,
Das ruft sie schnell zu sich herein.
Frau Hi-Ha-Holle du,
Schüttle fleißig zu.

Frau Holle, Frau Holle,
sie schüttelt mit dem Mägdelein,
viel' blütenweiße Flöckchen fein,
Die Kinder freuen sich so sehr,
Die Beiden schütteln immer mehr.
Frau Hi-Ha-Holle du,
Schüttle fleißig zu."

Audiodatei (1,1 MB):
Aufzeichnung des Liedes durch einen lokalen Kinderchor. Wir erheben kein Copyright. 
Für Copyrightfragen wenden Sie sich bitte an den Chor direkt.



Nun hatte das Mädchen eine Zeit lang die Betten tüchtig aufgeschüttelt und nur gute Worte von Frau Holle dafür bekommen. Und doch wurde es von Tag zu Tag trauriger. Eines Abends stand es wieder lange an seinem Fenster und blickte betrübt auf die Erde hinunter. "Was ist nur mit mir gescheh'n? Es drückt mir der Gram fast das Herz zusammen und meine Tränen wollen nicht mehr trocknen. Ich kann und kann den Blick nicht von der Erde und von den Menschen losreißen. Immerzu muss ich an unser kleines Haus und an den Garten, an die Mutter und an die Schwester denken. Was sie jetzt wohl machen werden? Ob unser guter, alter Hahn noch lebt? Ach, ich sehne mich so nach Hause. Es muss das Heimweh sein, das mich gepackt hat."

Frau Holle hatte gemerkt, dass sich das Mädchen so sehr betrübte und fragte es am nächsten Tag: "Was ist dir, mein Kind? Habe vertrauen uns schütte mir dein Herz aus. Welcher Kümmer trügt dich?" - "Ach, liebe Frau Holle. Ich bin sicher ein gar undankbares Geschöpf. Ihr habt mich so gut aufgenommen und mir nie ein böses Wort gegeben. Von meiner Mutter und Schwester bekam ich nur Schelte. Und oft Schläge dazu. Und trotzdem möchte ich zu ihnen zurück." - "So steht es also mit dir? Aber ich verstehe dich. Und weil du mir treu und redlich gedient hast, will ich dich bis zu dem Tor zur Erde zurückbringen und dir dort deinen Lohn auszahlen." damit fasste Frau Holle das Mädchen bei der Hand. Und sie gingen zusammen vorbei am Backofen, kletterten über den hohen Berg, sprangen über den tiefen Bach und wanderten weiter, vorbei am Apfelbaum, bis zu der Blumenwiese. Dort gab Frau Holle dem Mädchen seine Spindel wieder und öffnete ein großes Tor, welches das Mädchen vorher gar nicht gesehen hatte. 




Als das Mädchen gerade unter dem Tor stand, fiel Goldstaub auf sie herab und blieb an ihrem Kleid kleben. "Das ist dein Lohn weil du so fleißig gewesen bist. Leb wohl Goldmarie und vergiss Frau Holle nicht." Damit war Frau Holle verschwunden, ehe das Mädchen nur ein Wort des Dankes sagen konnte. Goldmarie blickte sich um und fand sich nicht weit entfernt von der Mutter Haus wieder. Als sie in den Hof trat, bemerkte sie zuerst der alte Hahn auf dem Zaun und er krähte zur Begrüßung: "Kickerikiee, Kickerikiee unsere Goldmarie ist wieder hieee'!" 




Die Mutter und die Schwester kamen eilig herbei gelaufen, um die vornehme Dame ehrerbietig willkommen zu heißen. Denn sie erkannten das Mädchen nicht wieder. Da ein Tag im Reich der Frau Holle so lang ist wie ein Jahr auf der Erde. Goldmarie war also viele Jahre von zuhause fort gewesen und Mutter und Schwester hatten gedacht, sie sei damals im Brunnen ertrunken. Wie wunderten sich die Beiden, als sich Goldmarie zu erkennen gab. Neugierig fragten sie das Mädchen aus, wie es ihm ergangen sei. Und Goldmarie musste ihre Geschichte erzählen. Und weil sie mit so großem Reichtum zurückgekehrt war, behandelten sie Mutter und Schwester sehr freundlich. Aber bald wurde die faule Schwester neidisch auf sie und auch die Mutter wollte, dass ihre Lieblingstochter noch viel mehr Gold als die Stieftochter bekäme. Deshalb stach sich die Faule ebenfalls in den Finger, warf die Spindel in den Brunnen und sprang hinterher. 

Die Faule erwachte, wie ihre Schwester, im hellen Sonnenlicht inmitten von tausend blühenden Blumen auf der grünen Wiese und ging den selben Pfad entlang, bis zu dem Apfelbaum, der wieder rief: "Schüttle mich! Schüttle mich! Meine Kinder sind alle samt reif!" - "Das käme mir gerade recht. Da könnte mir ja ein Apfel auf den Kopf fallen! Bleibt nur hängen, vielleicht schüttelt dich ein Anderer!" Damit ging sie weiter, sprang über den tiefen Bach, kletterte über den hohen Berg und stand auf einmal vor dem Backofen, aus dem es wieder rief: "Zieh uns heraus! Zieh uns heraus! Wir verbrennen hier!" - "Da hätte ich Lust mir meine zarten weißen Finger schmutzig zu machen. Und vielleicht gar zu verbrennen. Sucht euch einen Dümmeren aus!" Und ohne sich weiter um den Backofen zu kümmern, lief die Faule eifrig weiter, bis sie das Haus der Frau Holle erblickt hatte, denn sie dachte an nichts Anderes als an das Gold.

Und schon von weitem rief sie Frau Holle zu: "Ich möchte bei euch bleiben und wie meine Schwester Goldmarie eure Betten schütteln. Ihr werdet sehen, ich bin nicht dümmer als sie. Und ihr werdet mir den gleichen Lohn geben." - "Gut. Du kannst in meinen Dienst treten. Wenn du fleißig bist und meine Betten ordentlich aufschüttelst, damit sich die Kinder auf der Erde freuen, wenn es tüchtig schneit." Am ersten Tag nahm sich das Mädchen zusammen und schüttelte kräftig die Betten auf, denn es dachte immer an den Lohn, den ihm Frau Holle schenken würde. Aber schon am nächsten Tag, stand es nur widerwillig auf, bewegte die Betten ein wenig hin und her und die Kinder auf der Erde wunderten sich, weil nur ganz wenig Schneeflocken vom Himmel fielen. Und gar am dritten Tag, blieb die Faule einfach in ihrem Bett liegen, denn sie meinte, nun hätte sie genug gearbeitet. Und die Kinder schauten traurig zum Himmel empor und sangen:

"Frau Holle, Frau Holle, 
die guckt zu ihrem Haus herraus,
wie sieht die Welt so prächtig aus.
Da kommt ein faules Mägdelein,
Und das will gleich zu ihr herein,
Frau Hi-Ha-Holle du,
Schüttle fleißig zu.

Frau Holle, Frau Holle,
Es schüttelt nicht, das Mägdelein,
Es fallen keine Flöckchen fein,
Die Kinder trauern auch so sehr.
Die Beiden schütteln gar nicht mehr.
Frau Hi-Ha-Holle du,
Schüttle wieder Du!"

Audiodatei (950 kB):
Aufzeichnung des Liedes durch einen lokalen Kinderchor. Wir erheben kein Copyright. 
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Als Frau Holle merkte wie faul das Mädchen war, wart sie seiner müde und sprach zu ihm: "Höre zu Mädchen! Ich denke es ist besser wenn du wieder nach Hause gehst. Dein Dienst bei mir ist zu Ende. Ich will dich an das Tor zur Erde zurückbringen und dir dort deinen Lohn auszahlen." Die Faule warst zufrieden, denn nun würde ja das Gold auf sie herabregnen. Sie lief vor Frau Holle her und konnte gar nicht schnell genug über den hohen Berg klettern und über den tiefen Bach springen. Als sie am Backofen vorbeikam rief es dort noch immer: "Zieh uns heraus! Zieh uns heraus! Sonst verbrennen wir!" Und auch der Apfelbaum klagte immer noch: "Schüttle mich! Schüttle mich! Meine Kinder sind alle samt reif!" Aber das Mädchen sagte nur "Haltet mich nicht auf!" und lief auf das Tor zu. Frau Holle öffnete weit beide Torflügel und die Faule stellte sich hin und breitete ihren Rock aus um recht viel Gold mit nach Hause zu bringen. 

Doch was war das? Es regnete kein Gold. Dickes, schwarzes Pech tropfte herunter und blieb an dem schreienden Mädchen hängen. "Das ist dein Lohn, du faules Ding! Soll es dir helfen, an Frau Holle zu denken und dich zu bessern." Damit war Frau Holle verschwunden und das Mädchen lief weinend nach Hause. Und der Hahn auf dem Zaun krähte zur Begrüßung: "Kickerikie! Kickerikiee! Unsere Pechmarie ist wieder hieee'!"

Das Pech aber blieb fest an ihr haften und wollte ihr ganzen Leben lang nimmer abgehen. 


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