Samstag, 21. Oktober 2017

Der Krieg der Riesen (Kurzgeschichte, Teil 3)

Autor: Reick D.Ani
Zum Besseren Verständnis der Welt: Glossar
Was bisher geschah: Teil 2 lesen



In aller Eile errichteten sie die drei Zelte, die General Ricky mitgebracht hatte, eines für ihn und den Prinzen, eines für Emiliana und eines für Hark und seine Tochter Ingrid. Der junge Gott hätte bei Ihnen schlafen können, zog es aber vor den Sternenhimmel zu betrachten. Gütmir wollte auch in keinem Zelt schlafen. Riesen so meinte er, sind eng mit der Natur verbunden. Ein Zelt würde ihn nur von seinen Wurzeln trennen. Während also die Jungen die Zelte aufschlugen, ging Gütmir Holz und Steine für ein Lagerfeuer sammeln. Ingrid begann damit vom Fluss Wasser zu holen, wie Ricky es ihr aufgetragen hatte. Während ihr Vater sich um die Ochsen kümmerte. Emiliana beaufsichtigte zuerst nur den Bau der Zelte, bevor sie sich entschloss Gütmir beim Feuerholz sammeln zu helfen. Nachdem sie die Zelte aufgeschlagen hatten stand Mirarkkthur am Rand des kleinen Lagers und starrte in den Wald hinein. Kurze Zeit später gesellte sich Ricky zu ihm. „Gibt es etwas interessantes zu sehen?“ fragte er. „Nein nichts“ antwortete Mirarkkthur. „Nur die Verlorenen Wälder.“


Wir befinden uns im Grenzland. Hinter den Wäldern liegt unsere ehemalige Heimat.“ schwelgte Ricky. „Vermisst du sie?“ warf Mirarkkthur ein. „Natürlich vermisse ich sie. Du etwa nicht?“ reagierte Ricky prompt. Mirarkkthur wurde nachdenklich, begann zu lachen und sagte: „Kein Stück! Meine Heimat ist der Hals der Welt und auch mein ganzes Dorf lebt nun an seinem Fuß.“ Ricky musste lächeln. „Ja ich verstehe es. Meine Heimat ist nun auch hier, aber trotzdem denke ich immer noch an meine Familie zurück.“ Nach einer Weile gelang es Ricky die Frage, die ihm schon seit geraumer Zeit auf den Lippen brannte zu stellen: „Wurde dein Dorf auch während des Bürgerkriegs überfallen?“ Mirarkkthur schaute ihn an und sprach kurz und knapp „Nein“ bevor er fortfuhr „Mein Dorf wurde vor ungefähr 8 Hal überfallen, während des letzten großen Krieges mit den Crusatru.“ - „Ich verstehe“ merkte Ricky an. „Also noch vor der Rebellion gegen den König.“


Bekannte Orte, Karte by Dani.


Unterdessen kamen sich Emiliana und Gütmir immer näher. „Wie alt seid ihr, mein Herr Riese?“ fragte Emiliana mit einem lächeln während sie hinter einem Baum stand, ihre linke Hand auf die Baumrinde gelegt und mit langsamen, sachten Schritt um den Baum herum schreitend. Verlegen und bereits Rot werdend antwortete Gütmir ihr „17 Riesenjahre, mein Fräulein Elfe.“ - „Dann seid ihr noch keiner der Erwachsenen in eurem Volk, mein Herr Riese?“ hackte Emiliana nach. „Noch nicht.“ sprach Gütmir mit mittlerweile zitternder Stimme. Er war nun auch rot wie ein Rubin. Nach einiger Anstrengung und einem harten Kampf mit seinem Inneren konnte er nun auch eine Frage, immer noch zögerlich, formulieren: „Und ihr, mein Fräulein Elfe?“ - „Aber mein Herr Riese, es ziemt sich nicht eine Dame nach ihrem Alter zu fragen.“ gab sie ihm als Antwort. Gütmir war die Sache sehr peinlich, doch gerade als er sich entschuldigen wollte, brach die Elfe in kichern aus. „Es war nur Spaß, mein Herr Riese.“ Gütmir atmete durch, das hatte er jetzt nicht erwartet. „Ihr solltet nicht so steif und Ernst sein, mein Herr Riese.“ fuhr die Elfe fort und Gütmir nickte zurück. „Aber um eure Frage zu beantworten, ich bin 16 Elfenjahre, mein Herr Riese.“ Gütmir fiel ein Stein von seinem Herzen bedeutete dies doch, dass sie in seinem Alter war.

In der Zwischenzeit machte auch Ingrid ihren Zug und versuchte etwas mehr über General Ricky vom Prinzen zu erfahren. Um so unglücklicher war es, dass ihr der Prinz erklärte, dass ihr Angebeteter mehr auf Würstchen als auf Muscheln stehe. Hark, der diese Andeutung sehr wohl verstand, hätte sich beinahe an seinem Stück Brot verschluckt. Ingrid hingegen konnte nun nur noch daran denken, wie sie an Würstchen kommen sollte. Ihre Mutter hatte ihr bereits einmal eine alte Weisheit erzählt, die mit Liebe und dem Magen zu tun hatte. Und so waren ihre Gedanken an „Die Liebe geht durch den Magen.“ gebunden, obgleich das Sprichwort wohl die Schmetterlinge im Bauch und nicht das Essen meine. Beide Interpretationen waren jedoch im Königreich Sah und den Nachbarländern durchaus üblich.

Nach einer Weile kehrten Gütmir und Emiliana mit dem Feuerholz und den Steinen zurück, wobei Gütmir sicher stellte das Emiliana nicht zu viel tragen musste. Ihr alles abzunehmen wäre eine Beleidigung gewesen, zumindest wenn sie eine Riesin wäre. Hark erkannte, dass sich dort eine Romanze anbahnte und erinnerte sich stillschweigend an seine Hilda, die noch etwas auf ihn und ihre Tochter warten muss. Ingrid war ein wenig neidisch, dass die Elfe einen Freund bekam, aber sie nicht wusste wie sie ihren Angebeteten bekommen könne. Nun gesellten sich auch Mirarkkthur und Ricky zu den Anderen. Gütmir begann damit die Steine in einem Kreis anzuordnen und anschließend das Feuerholz zu einem hohlen Kegel zu stapeln. In die kleine Öffnung die er lies und die den Holzstapel wie ein indianisches Wigwam aussehen lies, legte er trockenes Gras. Erst jetzt bemerkten sie dass sie den Feuerstein vergessen hatten. Ratlos schauten sich alle an, nur Mirarkkthur verstand nicht wo das Problem lag. Emiliana erklärte ihm, dass sie ohne Feuerstein kein Feuer machen können und sie auch keine Feuermagie beherrsche. Mirarkkthur grinste „Wenn es weiter nichts ist, ich mache euch ein Feuer. Überlasst das mir!“ und mit diesen Worten trat er einen Schritt vor und sprach in der Sprache der Götter. Das Wort konnte Gütmir als „Feuer“ erkennen. Ein lauter Knall ertönte und alle bis auf Gütmir und Mirarkkthur wurden auf den Boden geschleudert, wo sie auf ihren vier Buchstaben landeten und sich mit ihren Händen abstützten. Außer Gütmir hatte niemand der anderen zuvor Mirarkkthurs Götterstimme vernommen. Das Holz indess begann zu brennen.

Nun setzten sich Alle um das Lagerfeuer herum. Der kurze Schreckmoment war vorüber. Um ihren Hunger zu stillen spießten sie allerhand von Früchten aus dem Proviant auf ihre Schwerter oder dünne Zweige, die Gütmir nicht für den Bau des Lagerfeuers verwendet hatte, und karamellisierten diese. Sie erzählten Geschichten und hatten sehr viel Spaß, als plötzlich ein kalter Wind aufzog. Es war Nacht geworden und die Verlorenen Wälder waren erwacht.

Wie aus dem Nichts war ein Schrei zu hören, der durch Mark und Bein ging und selbst bei Mirarkkthur unschöne Erinnerungen wach rief. Dichte Nebelschwaden zogen aus dem Wald heran. Und eine dunkle Stimme sprach einen Zauberbann „Loka inferne imnocte, animai nebula.“ Emiliana sprang sofort auf und sprach einen Gegenzauber

Mächte der Lüfte ich beschwöre unser Band,
Du große Kraft,
Die Winde schafft,
Schicke dein Wehen in meine Hand,
Auf dass der Schleier sich löse.“

mit ihrer linken Hand zeigte sie nun in Richtung der Wälder worauf sich ein Windstoß erhob und den Nebel zurückdrängte. Gütmir kannte die Luftmagie der Elfen und auch den Zauberspruch „Windböe“ hatte er schon oft gehört. Die Nebelschwaden zogen sich immer weiter in Richtung der Wälder zurück. Je weiter der Nebel verschwandt desto mehr wurden Silhouetten sichtbar, die sich am Rand des Waldes befanden. „Warum nennt man das nochmal die Verlorenen Wälder?“ fragte der Prinz in die Runde. „Weil niemand der dort die Nacht verbringt je wieder gesehen wird.“ antwortete Ricky. „Ich hielt das für einen Aberglauben.“ merkte Emiliana an. „Ich auch“ erwiderte der Prinz, mittlerweile seinen Rapier ziehend. Hark griff sich seine Harke und stellte sich schützend vor seine Tochter, die vor Angst zitterte. Der Nebel hingegen ging immer weiter zurück und die Silhouetten bewegten sich auf das Lager zu. Ein erneuter Schrei war zu hören, und wieder durchdrang er Mark und Bein. Ricky zog ebenfalls sein Schwert und stellte sich an die rechte Seite leicht vor seinen Prinzen. Emiliana ging langsam auf die linke Seite des Prinzen und bereitete sich darauf vor einige der stärkeren Zauber ihres Volkes zu wirken. Sie rief Gütmir zu sich neben sie zu stellen und auch auf einen Kampf vorzubereiten. Ihre Stimme klang besorgt und Gütmir hatte keine Waffen. Nun war der Nebel auch vollständig verschwunden und sie konnten die Draugr in all ihrer Hässlichkeit sehen. Genau in diesem Moment schrie der Draugr, der auf einem untoten Pferd mit halb offener Kehle saß erneut und wieder durchdrang sein Schrei Mark und Bein. Mit seinem Schwert, einer alten, verrosteten Draugrklinge zeigte er in Richtung des Lagers und die Draugr liefen schneller als zuvor. Aus ihrem Schlurfen ist ein „normales Gehen“ geworden, sofern Untote normal gehen können. Einige humpelten auch der kleinen Gruppe am Lagerfeuer entgegen.

Mirarkkthur bekam von all dem Nichts mit. Er war bereits in seinem inneren Konflikt gefangen. Diese Draugr dachte er hätte sein Amulett beim letzten Mal vernichtet. Das Amulett seines Vaters, dass kurz darauf zerbrach. Er spürte wie sein Zorn wieder aufzusteigen begann. In Asgard hatte das Amulett seine Macht auf ihn übertragen. Er wurde anschließend zum Wächter ausgebildet und nun könne er Rache an den Untoten nehmen die ihn einst so verängstigt hatten. Er war nun stark genug sie alle zu vernichten. Die Wolken am Himmel verfinsterten sich mit seinen Gedanken. Und nun erinnerte er sich an die Worte seinen Vaters:
Du bist wie Feuer mein Sohn. Macht in ihrer ursprünglichsten Gestalt. Ein Flüstern von dir kann den Kosmos vernichten. Denke stets daran und entscheide mit deinem Herzen. Macht bedeutet Wahrheit. Was wirst du verbrennen, was verschonen?“ Er beruhigte sich wieder und auch die Wolken verschwanden. Die Draugr waren mittlerweile nahe genug, dass man das Weiße in ihren Auge sehen konnte. Jeder war angespannt und teilweise verängstigt. Als sein Amulett sie vertrieb tat es dies mit den Worten „Bei der Macht unseres Lichtes, weicht zurück Geister.“ Das Licht Asgards ist ihm nicht bekannt. Er konnte an vieles Denken, den Weltenbaum, ihren Mut, oder gar den Biföst. Er würde also doch kämpfen müssen.

Und so zog er seine Draugrklinge, die er vor vier Jahren an diesem Ort gefunden hatte und löste die Schleife seines Umhangs, den ihn Freya für seine erste Mission geschenkt hatte. So dass dieser von der Schwerkraft auf den Boden gezogen wurde. Er lief ruhigen Schrittes an seinen neuen Freunden vorbei und direkt auf die Draugr zu. Emiliana wollte ihn noch aufhalten doch er ignorierte sie. Urplötzlich blieben die Draugr stehen. Und auch Mirarkkthur stoppte seinen Marsch. Mit ungläubiger Miene starrte der Draugrfürst Mirarkkthur an und Mirarkkthur starrte zurück. Diese Szenerie hielt mehrere Minuten an, ohne dass eine der Seiten sich rührte. Dann kam der Draugrfürst zu der Überzeugung seine Untoten zurück zu rufen. Mit einem Schrei der eher klagend als einschüchternd war drehten sich die Draugr um und kehrten in die verlorenen Wälder zurück. Ohne dass er es wusste, hatte Mirarkkthur das Licht Asgards gebracht, denn die Kleidung die er trug hatte er vom Allvater bekommen, Odin, dem König der Asen. Sie war aus Adamandium gewebt und in ihrem Brustbereich befand sich der Runenteller mit den vier Runen Sig, Algiz, Dagaz und Jera. Wobei die Sigrune geschwungen war und am Runenteller auf dem Platz des Nordens lag. Im Zentrum des Runentellers thronte die weiße Weltenesche Yggdrasil, was den Träger dieser 'Rüstung' als Wächter Asgards bestätigte. Zudem hatte der Draugrfürst seine Klinge erkannt und auch den Jungen, den er seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte. Jeder niedere Dämon wusste mittlerweile wer sein Vater war und welche Verheerungen der Sohn anrichten könne.

Was ist geschehen?“ riefen alle Mirarkkthur zu. Dieser drehte sich vollkommen unbeeindruckt um und erwiderte, dass er keine Ahnung habe was gerade passiert war. „Es war ein unerwartetes Glück für uns“ merkte Hark erleichtert an. Die Gruppe stimmte ihm zu. Gütmir war es jedoch noch etwas peinlich, dass er gar keine Waffe besaß. Er hatte nie daran gedacht, dass er sich auch einmal verteidigen müsste. Nun da die Draugr verschwunden waren ließ der Prinz Wachen aufstellen. Ricky und Mirarkkthur waren als erstes an der Reihe. Sie sollten drei Stunden später durch Hark und den Prinzen abgelöst werden. Diese würde Gütmir nach drei weiteren Stunden ablösen. Drei Stunden nachdem Gütmir Stellung bezogen hatte sollte er Alle wecken, damit sie aufbrechen konnten. Auf diese Art und Weise konnte jeder von Ihnen mindestens 6 Stunden Schlaf bekommen.
Und so nahm Ricky den Zeitchronometer an sich, laß die Zeit ab. „2 Striche bis Mittermond. Das bedeutet Wachablösung zum Ende der Jagdstunde.“ sprach er zum Prinzen. Dieser nickte. „Ich vertraue darauf dass du uns dann weckst, Ricky.“ - „Werde ich mein Gebieter.“ antwortete Ricky.


Der Zeitchronometer war im Grunde genommen eine Sonnenuhr, die durch eine magische Addition in der Lage war, die vom Mond reflektierte Sonnenstrahlung sichtbar zu machen. Auf diese Weise fungierte der Mond als Sonne für diese Uhr und seine Himmelsposition als Schattenwerfpunkt für die Zeitbestimmung. Um ihn korrekt auszurichten besaß er zudem noch eine Art Kompass. Oft wurde der Zeitchronometer wegen dieser Nähe zur antiken Sonnenuhr im Volksmund auch als 'Monduhr' bezeichnet. Am Tage war er zwar verwendbar wurde aber kaum benutzt.


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